Das Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD) war eine antifaschistische Militärorganisation von deutschen kriegsgefangenen Soldaten und Offizieren und kommunistischen deutschen Emigranten in der Sowjetunion, die 1943 gegründet wurde. Mitglieder der Organisation beschäftigten sich mit propagandistischen Tätigkeiten und waren an der Seite der Roten Armee im Kampf durch sogenannte Kampfgruppen engagiert. Sie verbanden Propaganda mit der Beschaffung nachrichtendienstlicher Informationen, militärischer Aufklärung, Sabotage und dem Kampf gegen die Wehrmacht(und die Waffen-SS)
Am 3. April 1942 verabschiedete das Politbüro der KPD in Moskau auf Anregung der Sowjetunion ein Grundsatzpapier, das zur Schaffung einer breiten Volksfront gegen Hitler aufrief, ungeachtet der politischen Herkunft der Beteiligten. Im Kriegsgefangenenlager Jelabuga bildete sich die erste antifaschistische Offiziersgruppe unter Hauptmann Ernst Hadermann. Dieser hatte am 21. April 1942 vor ca. 1000 Kriegsgefangenen die Rede "Das Manneswort eines Hauptmanns" gehalten. Am 31. Mai 1942 fand die erste antifaschistische Offizierskonferenz statt. 23 Offiziere unterschrieben einen Aufruf an alle Offiziere in der Kriegsgefangenschaft. Von kommunistischer Seite gab es den Vorschlag des Politbüros des ZK der KPD zur Bildung eines deutschen Komitees zum Kampf gegen Hitlerkrieg und Nazityrannei.
Es kam zur Bildung eines vorbereitenden Ausschusses im Lager Lujowo im Moskauer Vorort Krasnogorsk. Der kommunistische Schriftsteller Erich Weinert wurde Vorsitzender, weitere Angehörige waren unter anderem Johannes R. Becher, Bernt von Kügelgen, Walter Ulbricht und Wilhelm Pieck. Anfang Juni 1943 wurden Alfred Kurella und Rudolf Herrnstadt von der sowjetischen Führung beauftragt, ein Manifest für das Komitee zu erarbeiten. Für die sowjetische Führung standen dafür vor allem zwei Personen: Dmitri Manuilski, Sekretär der Komintern, und Alexander Schtscherbakow, Chef der Politischen Hauptverwaltung der Roten Armee. Bemerkenswert daran war, dass Stalin anordnete, in diesem Manifest kommunistische Phrasen zu entfernen und die KPD nicht zu erwähnen. Laut den Aufzeichnungen Anton Ackermanns sah er damals das Komitee als Schattenregierung, während Kurella das Manifest als erstes Staatsdokument des neuen Deutschlands ansah.
Am 22. Juni 1943 kam es zur Bildung des Gründungskomitees. Erich Weinert, Wilhelm Pieck, Walter Ulbricht und Hans Mahle vertraten die Emigranten, Hauptmann Hadermann, Leutnant von Kügelgen, Feldwebel Stresow und der Gefreite Eschborn die Gefangenen. Aus den Offizierslagern kam zunächst wenig Bereitschaft, vor allem als am 5. Juli 1943 die deutsche Gegenoffensive bei Kursk begonnen hatte.
Vom 12. bis zum 13. Juli 1943 fand in Krasnogorsk bei Moskau die Gründung des Nationalkomitees „Freies Deutschland“ statt. Erich Weinert wurde zum Präsidenten des NKFD gewählt.
Die Kriegsgefangenen wurden durch Karl Hetz, Heinrich Homann, Herbert Stößlein, Carl Fleischer, Ernst Hadermann, Eberhard Charisius, Friedrich Reyher, Fritz Rücker, Heinrich Graf von Einsiedel, Ernst Kehler, Bernt von Kügelgen, Matthäus Klein, Fritz Luddeneit, Jakob Eschborn, Leonhard Helmschrott, Erich Kühn, Hans Zippel, Otto Sinz, Max Emendörfer, Reinhold Fleschhut und Heinz Keßler repräsentiert.
Die Emigraten der KPD war mit Anton Ackermann, Martha Arendsee, Johannes R. Becher, Willi Bredel, Wilhelm Florin, Edwin Hoernle, Hans Mahle, Gustav Sobottka, Wilhelm Pieck, Walter Ulbricht und Friedrich Wolf vertreten.
Zwei Monate später gründete sich der Bund Deutscher Offiziere(BDO) unter General Walther von Seydlitz, kurz danach erfolgte der Anschluss des BDO an das Nationalkomitee. Auf der Sitzung des NKFD vom 16. Juni 1944 wurde zusätzlich auch ein „Arbeitskreis für kirchliche Fragen“ gebildet, dem unter anderen der evangelische Wehrmachtspfarrer Friedrich-Wilhelm Krummacher und der katholische Theologe Aloys Ludwig angehörten.
Sitz des Nationalkomitees war zunächst Krasnogorsk, bevor es im August 1943 in ein ehemaliges Erholungsheim der sowjetischen Eisenbahnergewerkschaft nach Lunjowo, ca. 35 km von Moskau entfernt, einzog. Das oberste Gremium war das Plenum des Nationalkomitees. Diese Vollversammlung hielt mindestens einmal im Monat eine Tagung ab, auf der alle wichtigen Aufgaben besprochen sowie entsprechende Maßnahmen beschlossen wurden.
Es gab eine Wochenzeitung "Freies Deutschland", eine Illustrierte "Freies Deutschland im Bild" und zahlreiche zentrale Flugblätter heraus. Ebenso betrieb es einen Radiosender "Freies Deutschland". Erkennungsmelodie war das Vaterlandslied von Ernst Moritz Arndt. An den Fronten setzte es Lautsprecherwagen ein. Über solche Lautsprecherwagen wurden u. a. die Reden des deutschen Generals Walther von Seydlitz-Kurzbach, des ehemaligen Divisionspfarrers Friedrich-Wilhelm Krummacher bzw. von Walter Ulbricht, Anton Ackermann sowie Erich Weinert verbreitet.
Haupttätigkeit war die Überzeugungsarbeit an der Front mit dem Ziel, Wehrmachtsangehörige zum „Überlaufen“ bzw. zur freiwilligen Gefangennahme zu bewegen. Das Engagement trug Früchte. So gab sich am 8. Juli 1944 Generalleutnant Vincenz Müller freiwillig gefangen, bis zum 22. Juli 1944 folgten ihm 17 Generäle, die ihren Beitritt zum NKFD erklärten. Angehörige der Frontorganisation des NKFD wirkten auch im Hinterland der deutschen Front. Prominentes Mitglied war Feldmarschall Friedrich Paulus. Am 8. August 1944 erklärte der ehemalige Oberbefehlshaber der Stalingradarmee seinen Bruch mit Hitler und trat dem NKFD bei.
Die Rolle des NKFD beschränkte sich nicht nur auf Überzeugungsarbeit. So lockte das NKFD deutsche Verbände beispielsweise durch falsch gesetzte Funksprüche in Hinterhalte. Nach dem Zusammenbruch der deutschen Fronten in der Sowjetunion kam den in Gefangenschaft befindlichen deutschen Generälen in den Aufrufen des NKFD eine größere Bedeutung zu. Ein Beispiel dafür ist der Aufruf der 50 Generäle vom 8. Dezember 1944 an die Bevölkerung und die Wehrmacht, sich von Hitler loszusagen und den Krieg zu beenden.
Nach dem Ende des Krieges lösten sich sowohl das NKFD als auch der BDO am 2. November 1945 in Moskau auf. Die meisten Emigranten kehrten nach Deutschland zurück, die kriegsgefangenen Mitglieder wurden wieder in reguläre Kriegsgefangenenlager überstellt. Vereinzelt kehrten sie in den folgenden Jahren heim, im September 1948 fünf Generäle und 100 Offiziere: Sie gingen in den Osten Deutschlands, wo sie die Kasernierte Volkspolizei(KVP) aufbauten, den Vorläufer der Nationalen Volksarmee(NVA) der DDR. Ein weiterer Teil kehrte 1950 heim, die letzten wurden 1955 entlassen.
Film/Fernsehen/Literatur:
- Geheimkommando Bumerang (TV-Dreiteiler DDR 1966, Drehbuch: Rudolf Böhm, Regie: Helmut Krätzig, mit Alfred Müller in der Rolle des NKFD-Oberleutnants Werner Schütt)
- Geheimkommando Spree (TV-Zweiteiler DDR 1968, Regie: Helmut Krätzig) mit Otto Mellies, Alfred Müller und Gunter Schoß.
- Jeannette Mittelmann: Aktivisten der ersten Stunde/Die Antifa in der Sowjetischen Besatzungszone. Böhlau Verlag Köln-Weimar-Wien 2002, S. 127 ff.
- Jörg Morré: Hinter den Kulissen des Nationalkomitees. Das Institut 99 in Moskau und die Deutschlandpolitik der UdSSR 1943–1946. Oldenbourg, München 2001.
- Heike Bungert: Das Nationalkomitee und der Westen. Die Reaktion der Westalliierten auf das NKFD und die Freien Deutschen Bewegungen 1943–1948. Franz Steiner, Stuttgart 1997.
- Jürgen Tubbesing: Nationalkomitee Freies Deutschland, Antifaschistischer Block, Einheitspartei. Aspekte der Geschichte der antifaschistischen Bewegung in Leipzig. Sax, Beucha 1996.
- Gerd R. Ueberschär(Hrsg.): Das Nationalkomitee „Freies Deutschland“ und der Bund Deutscher Offiziere. Reihe: Die Zeit des Nationalsozialismus. Fischer TB, Frankfurt 1996.
- Bodo Scheurig: Verräter oder Patrioten – das Nationalkomitee „Freies Deutschland“ und der Bund Deutscher Offiziere in der Sowjetunion 1943–1945. Überarbeitete und ergänzte Neuausgabe. Propyläen, Berlin/Frankfurt am Main 1993.
- Karlheinz Pech: An der Seite der Resistance. Die Bewegung „Freies Deutschland“ für den Westen in Frankreich (1943–1945). 2., überarb. u. erw. Auflage. Militärverlag der DDR, Berlin 1987.
- Jesco von Puttkammer: Irrtum und Schuld. Geschichte des National-Komitees "Freies Deutschland". Michael Verlag, Neuwied / Berlin 1948.


