Richard Sorge(Рихард Густавович Зорге); geb. am 4. Oktober 1895 in Sabuntschi(Vorort von Baku); hingerichtet am 7. November 1944 in Toshima(Tokio)war ein deutsch-sowjetischer Funktionär der Kommunistischen Internationale und für den sowjetischen Militärgeheimdienst(GRU) tätig. Er war vor und während des 2. Weltkrieges als Journalist und in geheimer Mission für die Sowjetunion in China und Japan tätig. Sein Pseudonym lautete unter anderem R. Sonter, sein Deckname für den Japaneinsatz war „Ramsay“ (Рамза́й).
Seine Eltern waren der in Baku tätige deutsche Erdölingenieur Wilhelm Sorge und dessen russische Frau Nina (geb. Kobelewa). Er hatte acht Geschwister. 1898 zog die Familie von Aserbaidschan nach Lankwitz bei Berlin, wo er ab 1901 die Oberrealschule besuchte.
Richard Sorges Großonkel Friedrich Adolf Sorge war einer der Weggefährten von Karl Marx und Mitbegründer der Ersten Internationale.
Bei Beginn des 1. Weltkrieges 1914 meldete sich Sorge direkt aus der Schule als Freiwilliger. Im April 1917 wurde er an der Ostfront zum dritten Mal verwundet. Die Ärzte konnten seine Beine nur mit Mühe retten. Ein Bein blieb einige Zentimeter kürzer. Seither hinkte er.
Während einer Genesungsphase legte er 1916 sein Notabitur ab und befasste sich mit den Werken von Karl Marx und Friedrich Engels. Kurz danach begann er mit einem Studium der Nationalökonomie und der Philosophie. 1919 beendete er sein Studium an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Hamburg und wurde mit der lohnpolitischen Arbeit "Die Reichstarife des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine" zum Dr. rer. pol. mit "summa cum laude" promoviert.
Bereits 1917 wurde Sorge Mitglied der USPD und beteiligte sich aktiv an den Novemberrevolution 1918 als Mitglied des Kieler Arbeiter- und Matrosenrates. Anfang des folgenden Jahres wurde er Redakteur und Autor der Hamburger Volkszeitung – Organ der USPD. Am 15. Oktober 1919 trat er der Kommunistischen Partei Deutschlands(KPD) bei. Er wurde noch im gleichen Jahr in Aachen in die örtliche Parteileitung gewählt. Hier war er auch als Leiter von Studienzirkeln zum Studium der Werke von Karl Marx, Friedrich Engels und Wladimir Iljitsch Lenin tätig.
Ende 1919 ging Richard Sorge an die TH Aachen, wurde aber bereits 1920 wegen der aktiven Teilnahme an bewaffneten Abwehrkämpfen gegen den Kapp-Putsch aus seiner Assistentenstelle entlassen. Er arbeitete dann in einem Bergwerk unter Tage und später als Redakteur beim KPD-Regionalorgan "Bergische Arbeiterstimme". Bereits 1921 wechselte er nach Solingen, wurde Lehrer an der KPD-Parteischule und unterrichtete auch an der Volkshochschule in Ohligs. Im August 1921 nahm er als Delegierter am 2. Parteitag der KPD in Jena teil. Er organisierte 1923 die Erste Marxistische Arbeiterwoche zu Pfingsten in Geraberg bei Arnstadt.
Das Jahr 1923 brachte eine Zuspitzung der politischen Auseinandersetzungen und führte in Sachsen und Thüringen zur Bildung von Arbeiterregierungen. In Hamburg kam es zum Streik der Hafenarbeiter und zum Aufstand. Sorge wirkte hier als Mitarbeiter eines zum Teil konspirativ arbeitenden KPD-Kurierdienstes. Als es im Herbst zur Niederschlagung des Hamburger Aufstandes kam und sich der damalige Vorsitzende der KPD Ernst Thälmann in die Illegalität begeben musste, war Sorge als dessen persönlicher Kurier unter dem Decknamen „Robert“ eingesetzt.
Ende 1924 entschied sich Sorge für eine Tätigkeit im Auftrag des Komintern-Büros in Moskau. Sorge wurde 1925 Mitglied der KPDSU und war in der Informationsabteilung der Kommunistischen Internationale tätig. Darüber hinaus engagierte sich Sorge auch im Klub der Deutschen Kommunisten in Moskau und im Frühjahr 1926 wählte man ihn zum Vorsitzenden.
1929 gewann Jan Karlowitsch Bersin, der Leiter des Nachrichtendienstes der Roten Armee(GRU), Richard Sorge als Mitarbeiter für den Auslandseinsatz. Sorges Fähigkeit, sich bei Reisen recht schnell in vertrauensvollen Netzwerken zurechtzufinden, ein realistisches Bild von den Geschehnissen und Menschen zu gewinnen und klare Analysen der politischen Situationen zu liefern, hatte Bersin überzeugt.
Sein erster Auftrag sollte ihn noch im gleichen Jahr nach China führen. Um die ihm gestellten Aufgaben zu lösen, baute er vor Ort eine Gruppe Gleichgesinnter auf, zu der der deutsche Funker Max Christian-Clausen und der japanische Journalist Ozaki Hotsumi gehörten und in die er auch Ruth Werner zeitweilig einbezog.
Im Ergebnis dieses Einsatzes konnte die Gruppe wichtige Informationen über politische und militärische Aktivitäten der Kräfte um Chiang Kai-shek und die ihn unterstützenden Militärberater der deutschen Reichswehr beschaffen.
1933 reiste er wieder nach Deutschland – mit dem Auftrag, als deutscher Journalist getarnt, in Japan eine Gruppe aufzubauen, die in der Lage wäre, Informationen aus höchsten politischen und militärischen Kreisen zu beschaffen.
Am 8. September 1933 kam Sorge in Yokohama an. Offiziell arbeitete er anfangs als Journalist des "Deutschen Börsenkuriers". In den folgenden Jahren baute er ein Netzwerk auf, das bis in höchste japanische Regierungskreise und militärstrategische Bereiche reichte.
Im November 1935 traf der ehemalige deutsche Funker Max Christiansen-Clausen auf besondere Bitte Sorges in Tokio ein. Damit war die Gruppe nunmehr komplett arbeitsfähig, verfügte aber auch bereits über ein gutes Netz an Verbindungen in japanische politische, militärische und wirtschaftliche Kreise hinein. Über Ozaki Hotsumi, der aus China kommend ebenfalls wieder zur Gruppe „Ramsay“ – wie sie sich nun nannten – gestoßen war, lernte er sogar den japanischen Premierminister Konoe Fumimaro kennen.
Eine erste Spitzenmeldung nach Moskau konnte Sorge bereits 1936 zum Antikominternpakt absetzen, vor allem die Hintergründe und eigentliche Ziele betreffend. Sorge konnte 1937 über Aktivitäten im Rahmen des zweiten japanisch-chinesischen Krieg und erneute Kampfhandlungen Japans um den 29. Juli 1938 im mongolischen Grenzbereich berichten.
Eine zweite Spitzenmeldung der Gruppe um Richard Sorge, diese bereits im Jahr 1939, unterrichtete Moskau über Einzelheiten und Termine des von Japan geplanten Überfalls auf die Mongolei mit der späteren Stoßrichtung zum fernen Osten der Sowjetunion. Durch mongolische und sowjetische Truppen wurde in den Monaten Juli und August 1939 der japanische Angriff am Chalcyn-Gol zurückgeschlagen, und Japan musste einen Waffenstillstandsvertrag mit der Sowjetunion unterzeichnen.
Die dritte nachrichtendienstliche Spitzenmeldung der Gruppe um Sorge bezog sich dann auf die unmittelbare Kriegsvorbereitung Deutschlands gegen die Sowjetunion mit mehreren Präzisierungen. Bereits im März 1941 konnten erste Meldungen über operative und taktische Details der Kriegsvorbereitungen nach Moskau abgesetzt werden. Eine klare terminliche Präzisierung des Angriffstermins erfolgte dann am 15. Juni mit der Nachricht: „der Krieg wird am 22. Juni beginnen.“ Diese Nachricht Sorges an die GRU mit genauen Informationen über den Tag, die Stärke und die Richtungen des Angriffs wurde jedoch von Stalin ignoriert.
Die vierte Spitzenmeldung, kurze Zeit darauf, am 14. September 1941 abgesetzt, erfolgte unmittelbar nach der Geheimsitzung des japanischen kaiserlichen Thronrates. Diese Information bezog sich darauf, dass Japan als strategisches Ziel nunmehr die USA und die britischen Kolonien im Pazifik angreifen würde und damit die Gefahr für die Sowjetunion im Fernen Osten gebannt war. Durch diese Information Sorges konnte Marschall Schukow die sowjetischen Truppen aus Sibirien abziehen und sie zum Abstoppen des deutschen Vormarsches 25 km vor Moskau einsetzen.
Ab 1939 hatte Richard Sorge gemeinsam mit seinem Funker Max Clausen Meldungen mit über 65.000 Wörtern in 141 Funksprüchen sowie zahlreiche Mikrofilme per Kurier nach Moskau übersandt.
Ozaki wurde am 15. Oktober, Sorge selbst dann am 18. Oktober 1941 unter dem Vorwand eines angeblichen Motorradunfalls verhaftet.
Im September 1943 begann unter Ausschluss der Öffentlichkeit der Prozess gegen Richard Sorge vor dem Tokioter Distriktgericht. Am 29. September wurde das Todesurteil gegen ihn und den Mitangeklagten Ozaki Hotsumi verkündet. Im Januar 1944 lehnte der Oberste Gerichtshof die Einsprüche von Sorge und Ozaki Hotsumi endgültig ab.
Am 7. November 1944 wurden Ozaki Hotsumi und unmittelbar danach Richard Sorge im Tokioter Sugamo-Gefängnis gehängt.
Ehrungen: DDR
- Das in Beelitz stationierte Aufklärungsbataillon AB-1 der 1. Mot.-Schützendivision der Nationalen Volksarmee führte den Ehrennamen „Dr. Richard Sorge“
- Die Kaserne eines Aufklärungstruppenteils der Nationalen Volksarmee wurde am 7. Oktober 1971 nach Richard Sorge benannt. (siehe auch Dienststelle Blumberg)
- Die höchste Auszeichnung des Ministerium für Staatssicherheit der DDR, war die Dr.-Richard-Sorge-Medaille in Gold.
- Briefmarkenblock
Straßennamen, Denkmal, Gedenktafeln (Auswahl):
- In Berlin-Friedrichshain erhielt die ehemalige Tilsiter Straße im Jahr 1969, am 25. Todestag, den Namen Richard-Sorge-Straße. An einem Eckhaus am Ende der Richard-Sorge-Straße (Weidenweg 29) wurde eine kleine Bronzetafel mit seinem Kopf im Profil angebracht.
- In Dresden erhielt die Lennéstraße am Großen Garten im Jahr 1970 den Namen Dr.-Richard-Sorge-Straße mit einem zugehörigen, von Gerd Jaeger geschaffenen Denkmal (Porträtkopf). Heute heißt die Straße wieder Lennéstraße. Nach 1990 wurde das Denkmal mehrfach geschändet und die gesamte Anlage zertrümmert.
- In Chemnitz befand sich eine Gedenktafel aus Bronze an der Richard-Sorge-Straße, der heutigen Hohen Straße. Anfang der 1990er Jahre wurde die Bronzetafel gestohlen. Aus Anlass des Tages der Befreiung vom Faschismus wurde am 8. Mai 2019 eine neue Gedenktafel angebracht. Der Text wurde gegenüber der alten Tafel nicht verändert. Nur ein kleiner Nachsatz weist auf den Verlust der originalen Bronzetafel hin.
Es gab zahlreiche nach Richard Sorge benannte Einrichtungen, wie das Kinderheim in Schluft bei Groß Schönebeck in Brandenburg. Viele Schulen in der DDR trugen den Namen „Dr. Richard Sorge“, z. B. in Altenburg, Bad Langensalza, Bautzen, Berlin, Cottbus, Dranske, Dresden (das heutige Gymnasium Dreikönigschule Dresden), Falkenstein/Vogtland, Greiz, Halle/Saale, Leipzig, Magdeburg, Pirna, Sangerhausen, Schwerin, Sondershausen, Suhl, Wollin, Zschornewitz.
Sowjetunion:
1964 wurde Dr. Richard Sorge postum der Titel Held der Sowjetunion verliehen. Dieser Ehrentitel steht unter anderem auf Sorges Grabstein in Tokio sowie auf den ihm gewidmeten Briefmarken.
- 1964 bekam eine Straße in Moskau den Namen „Sorge-Straße“ (Улица Зорге). Eine Station des Zentralen Moskauer Eisenbahnrings, die an dieser Straße liegt, trägt den Namen „Sorge“. Stationen weiterer Metrosysteme in Russland tragen ebenfalls Sorges Namen.
- Die Sowjetische Post brachte 1965 eine Sonderbriefmarke heraus.
- Seit 1981 befindet sich im Richard-Sorge-Park in Baku ein großformatiges, 4,60 Meter hohes Richard-Sorge-Denkmal, das der Bildhauer Wladimir Zigal aus Granit und Bronze schuf. Oberhalb einer Plattform ist auf einer breiten, etwa drei Meter hohen, leicht gebogenen Fläche Sorges mittlere Gesichtspartie angedeutet. Die Augen sind durch Aushöhlung und scharfe Konturen hervorgehoben, sie vermitteln den Eindruck eines stechenden Blicks.
- Ein weiteres Richard-Sorge-Denkmal von Wladimir Zigal wurde 1985 an der Richard-Sorge-Straße in Moskau enthüllt. Es zeigt Sorge im Regenmantel gehend. Die Aussparung seiner Silhouette in einer massiven Fläche direkt hinter ihm erzeugt den Eindruck, er habe eine Wand durchschritten.
- In Sabunçu (heute ein Stadtbezirk von Baku) ist am Treppenaufgang zu dem Haus, in dem Sorge in seinen ersten Lebensjahren wohnte, eine Gedenkplatte angebracht.
- Auf dem Gelände einer Schule in Ischewsk steht eine Richard-Sorge-Büste auf einem Marmorsockel.
Quellen/Literatur/Film
- Die Reichstarife des Zentralverbandes Deutscher Konsumvereine. Dissertation, Universität Hamburg, 1919. Nachdruck von der Heinrich-Kaufmann-Stiftung Hamburg, Norderstedt 2011.
- Rosa Luxemburgs Akkumulation des Kapitals. Bearbeitet für die Arbeiterschaft. Solingen 1922.
- Der neue deutsche Imperialismus (unter dem Pseudonym R. Sonter). Verlag Carl Hoym Nachf., Hamburg 1928. Reprint 1988 bei Dietz, Berlin.
- 1975: Sein wichtigster Funkspruch. DEFA-Dokumantarfilm, Regie: Eckhard Potraffke.
- 1977: Sonjas Rapport. DEFA-Spielfilm zur Autobiografie von Ruth Werner. Regie: Bernhard Stephan.
- Juri Korolkow: Der Mann, für den es keine Geheimnisse gab – Richard Sorge in Tokio. Verlag Kultur und Fortschritt, Berlin 1967.
- Sergej Goljakow, Wladimir Ponisowski: Richard Sorge – Kundschafter und Kommunist – Biografie. Verlag Neues Leben, Berlin 1982.
- Julius Mader: An geheimer Front. Berichtüber Richard Sorge. Pahl-Rugenstein Verlag, Köln 1987.
- Julius Mader, Gerhard Stuchlik, Horst Pehnert: Dr.Sorge funkt aus Tokyo. Ein Dokumentarbericht über Kundschafter des Friedens mit ausgewählten Artikeln von Richard Sorge. 3. Auflage. Deutscher Militärverlag, Berlin 1968.
- Wolfgang Kienast: Das Haus in Azabu-ku. Der Kinderbuchverlag, Berlin 1972


