Erklärung des Verbandes der Verfolgten des Naziregimes – BdA Chemnitz anläßlich
der Eröffnung des Gedenkorts am Kaßberg-Gefängnis Chemnitz, durch den Verein
Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis, den Vorsitzenden Herrn Jürgen Renz,
Staatssekretär Uwe Gaul, MdL Hanka Kliese und MdL Volkmar Zschocke.
Werter Herr Renz, werte Frau Kliese und werter Herr Zschocke,
so sehr wir bisher die Entstehung einer würdigen Erinnerungsstätte am historischen Ort, der
einstigen Haftanstalt auf dem Kaßberg durchaus, auch gegen harsche Kritik aus den eigenen
Reihen, begrüßt haben, protestieren wir nun um so deutlicher gegen den Tenor unter dem
die Einweihungszeremonie stattfinden soll und werden selbst daran nicht teilnehmen!
Ihre Einladung in der Sie die Zeit des Nationalsozialismus - des deutschen Faschismus, der
unmittelbaren Zeit nach Ende des 2. Weltkrieges, die Zeit der sowjetischen Verwaltung und
die Zeit von 1949 bis 1989 gleichsetzen, ist gelinde gesagt unzumutbar.
Sie formulieren es natürlich umschweifig, doch Ihre Aussage bleibt eindeutig: „Das Kaßberg-
Gefängnis fungierte im Nationalsozialismus als ein zentraler Tatort der Verfolgung und
Unterdrückung politisch Andersdenkender und aus rassenideologischen Gründen
missliebiger Personen. Auch in der Zeit der sowjetischen Besatzungsherrschaft und während
der SED-Diktatur wurden politische Gegner auf dem Kaßberg inhaftiert. Für sie alle stellte die
Haftanstalt das „Tor zur Hölle“ dar.“
Es offenbaren sich Ihre Sichtweisen auf die Geschichte und Ihre ideologische Ausrichtung,
die, so bleibt eben leider zu vermuten, nicht zu einer sachlichen Auseinandersetzung mit der
Vergangenheit beitragen wird, schon gar nicht zu einer objektiven und gerechten Darstellung
der historischen Geschehnisse. Offensichtlich wollen Sie nicht zur Kenntnis nehmen, dass es
eben einen Unterschied gibt zwischen den Epochen unserer jüngsten Geschichte, setzen
gleich, was nicht gleichzusetzen ist! Der Weg für die Inhaftierten der Jahre 1933 bis 1945
führte für eine erhebliche Zahl, wie Sie es meinen in die Hölle – was für ein mystischer
Begriff!
Er führte oft genug von Gefängnis zu Gefängnis, zur Geheimen Staatspolizei wenige Minuten
zu Fuß in unmittelbarer Nachbarschaft, ins Zuchthaus, ins Konzentrationslager, ins
Vernichtungslager oder eben direkt in den Tod! Und dies bis zur Befreiung unserer Heimat.
Erst nach dem 8. Mai 1945 war der Terror beendet. Noch im März 1945 bei der
Bombardierung unserer Heimatstadt wurde das Gefängnis getroffen und während es brannte,
mussten die Gefangenen im Haus verbleiben, wurden am 27. März 1945 am Hutholz
Gefangene ermordet.
Bis zum heutigen Tag sind die Namen der Inhaftierten Verfolgten des Naziregimes nicht
vollständig ermittelt, geschweige denn ihre Schicksale und Lebenswege. Vergleicht man
tatsächlich die Biographien der unterschiedlichen Zeiten und das was geschehen ist, wird
Ihre Ansicht nicht bestätigt und bleibt Propaganda für politische Zwecke! Nach zwölf Jahren
Herrschaft der NSDAP, unterstützt von der Wirtschaft und einem erheblichen Teil des
deutschen Volkes, waren Millionen von Toten zu beklagen, lagen Europa, ein Teil Asiens
und Afrikas in Trümmern, zogen ungezählte Heimatlose durch die Länder, Städte und Dörfer
und Sie setzen diese Zeit gleich mit dem was danach kam?!
Ja, wir bleiben bei unserer Ansicht zur Einschätzung der Geschichte; für uns gibt es kein
fremdes Leid, wem Unrecht widerfahren ist, steht Gerechtigkeit zu. Wo es Verbrechen gab
müssen sie aufgeklärt und die Verbrecher bestraft werden. Wo es droht, dass das
Geschehene in Vergessenheit gerät, braucht es eine Erinnerung.
Wenn wir aber die Geschichte unter dem Deckmantel des Totalitarismus gleichsetzen,
werden wir weder den Opfern gerecht, noch gelangen wir auf die Spur der Täter oder
könnten unser Wissen für eine bessere, gerechte, sozialere und friedlichere Gegenwart und
Zukunft nutzen.
Chemnitz, 24. April 2017
Enrico Hilbert
im Auftrag des Vorstandes