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Erneuertes Kooperationsangebot an die Partner des „Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis“ e. V.

|   VVN BdA Chemnitz


Anlässlich des 76. Jahrestages der Wiederkehr des Attentats vom 20. Juli 1944, dem bedeutendsten Umsturzversuch während der nazistischen Gewaltherrschaft, wollen wir nicht
nur an die Verschwörer und deren Umfeld sowie an die Folgen des letztlich gescheiterten Vorhabens erinnern, sondern diesen geschichtsträchtigen Tag zum Ausgangspunkt für die
Unterbreitung eines erneuten Kooperationsangebotes an den Verein Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis nehmen.


Die Entstehung des Gedenkortes haben wir, als Chemnitzer Verband der Verfolgten des Naziregimes - deren Hinterbliebenen und Freunde, von Beginn an nicht nur begrüßt, sondern
aktiv unterstützt. Bereits seit 2011 pflegen wir Kontakte zu den Initiatoren. „Es gibt kein fremdes Leid“ - ist dabei unsere Losung. Der historischen Wahrheit verpflichtet, stehen wir
zu der Forderung, dass Unrecht aufgearbeitet werden muss und es eine würdige Erinnerungsstätte braucht.


Wir bieten erneut unsere Unterstützung bezüglich des Entstehens der Exposition für die Zeit 1933 bis 1945, sowie uns betreffende Themen darüberhinaus, an. Wir fordern zudem eine
gleichberechtigte Teilhabe der Opferverbände.
Mit dem Gesamtprojekt im historischen Gebäude auf dem Kaßberg gibt es in Chemnitz die wohl einmalige Chance, dass es erstmalig seit 1990 wieder eine dauerhafte Erinnerungsund
Bildungsstätte an Verfolgung und Widerstand in Chemnitz während des deutschen Faschismus geben wird. Ein Teil des bereits entstandenen Gedenkortes an der Außenmauer
belegt dies ausdrücklich.
Wohl erstmalig und somit bisher einmalig im Freistaat Sachsen wäre es, wenn es gelingen könnte, in gleichberechtigter Partnerschaft von Vertretern der betreffenden Opfergruppen
und Initiativen, einen Erinnerungsort doppelter Vergangenheit zu schaffen und zukünftig zu begleiten. 


In den zurückliegenden Jahren haben wir mit unseren Partnern der Bürgerschaftlichen Initiative „Historischer Atlas - Land Sachsen 1933 bis 1945“ Ausstellungen und Materialien
erstellt, die immer wieder auch die Geschichte der Inhaftierungen in unserer Stadt während des „3. Reichs“ zum Inhalt hatten. Diese stießen auf reges Interesse und wurden u.a. auch
während der Museumsnacht auf dem Kaßberg präsentiert.


Nicht nur wechselseitig haben Vertreter des Vereins und Mitglieder beider Verbände Veranstaltungen besucht, sondern gemeinsam organisiert, ein Novum nicht ohne
Hindernisse.
Die Geschichte von Verfolgung sowie des Widerstandes in Chemnitz und der näheren Umgebung sind eng mit dem Kaßberg verbunden. Dabei ist das Gefängnis in dieser Zeit
Dreh- und Angelpunkt auch über die Grenzen der unmittelbaren Region um unsere Stadt hinaus. Es war eng verflochten mit den Gefängnissen auf der Hartmann- und Langestraße,
den Schutzhaftlagern, den frühen Konzentrationslagern, der Zwangsarbeit, den Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung, der Gestapo, den Gerichten – bis hin zum Volksgerichtshof,
den Zuchthäusern und Erschießungsstätten, den Strafbataillonen der Wehrmacht, den Groß-KZs wie Buchenwald sowie Sachsenhausen, Ravensbrück und schlussendlich mit den
Folgen des 20. Juli 1944 und den Kriegsendphasenverbrechen in unserer Heimat. Tausende Inhaftierte in zwölf Jahren, Erniedrigung, Folter, Mord und Tod sind für diesen
historischen Ort Ausdruck jener Epoche unserer Geschichte. Frauen und Männer, ob aus der kommunistischen oder sozialdemokratischen Bewegung, den Gewerkschaften, ob Zeugen Jehovas, jüdische Bürger, parteilose Antinazis, Menschen - die sich dem Wahn des Krieges widersetzten, die verbotene Rundfunksender hörten oder ob sie aktive Widerstandskämpfer waren, sie alle gingen durch das Tor des Gefängnisses auf dem Kaßberg.


Wir sind ihrem Andenken und dem Ansinnen, dass so etwas nie wieder geschehen darf,verpflichtet. Aus der Überzeugung, dass die Auseinandersetzung mit dieser Geschichte
verknüpft mit aktivem Ringen um Demokratie, Freiheit und Soziale Gerechtigkeit uns dabei stärken kann, erneuern wir unser Angebot, uns mit aller Kraft um die Ausgestaltung der
geplanten Räume in Erinnerung und Mahnung an die Zeit 1933 bis 1945, nochmals verstärkt zu bemühen. Dabei wollen wir unsere Vorstellungen, Gedanken und Ideen konzeptionell und
in die konkrete Ausgestaltung einbringen und wünschen uns einen offenen Dialog.
Noch sind in unseren Reihen Zeugen jener Tage, die etwas beizutragen haben, die gehört werden müssen.
Schon zum jetzigen Zeitpunkt können wir durch unsere gemeinsame jahrelange ehrenamtliche Forschungsarbeit Biographien nachzeichnen, Begebenheiten, Abläufe und
Zusammenhänge dokumentieren. Diese Arbeit intensivieren wir in den kommenden zwölf Monaten, um ein möglichst umfangreiches, gut aufgearbeitetes Material für die Ausstellung
präsentieren zu können. Daraus ergibt sich für uns die Konsequenz, daß wir an der Konzeption für den Zeitraum 1933 bis 1945 in logistischer, inhaltlicher und finanzieller
Hinsicht fortdauernd einbezogen werden.
Dabei stützen wir uns auch auf den als Staatsziel formulierten Artikel 117 [ Aufarbeitung der Vergangenheit ] der Sächsichen Verfassung, die im Jahre 1992 verabschiedet wurde.
Wir gehen davon aus, dass unser Wirken eine Bereicherung für den Gedenkort ist. Aus diesen Gründen bitten wir den Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis e.V., mit uns in
einen intensiven Austausch zu treten, im Sinne einer würdigen Erinnerungs- und Bildungsstätte am historischen Ort auf dem Chemnitzer Kaßberg.

Verband der Verfolgten des Naziregimes, ihrer Hinterbliebenen und Freunde in Chemnitz

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