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Pressemitteilung zur bevorstehenden Debatte um die Chemnitzer Mikwe

Liebe Chemnitzerinnen und Chemnitzer, werte Bürger unserer Heimatstadt,

sehr geehrte Frau Bürgermeisterin für Kultur Dagmar Ruscheinsky,

sehr geehrte Frau Archäologin Dr. Regina Smolnik,

sehr geehrter Herr Landesrabbiner Zsolt Balla,

werte Vertreter der Medien,

sehr geehrte Damen und Herren, werte Bauherren und Nutzer des Ortes in unserer Stadt,

der außergewöhnliche archäologische Fund, das jüdische Ritualienbad, die Mikwe, mitten in unserer Stadt, ist nicht nur eine Sensation in unserer Heimat, sondern auch etwas Besonderes für unser Land, denn es gibt nur wenige solcher Überlieferungen der Geschichte. Dabei hatte es in Chemnitz noch mindestens ein anderes, weit weniger altes, Ritualienbad gegeben, welches zwar den 2. Weltkrieg und die Shoah überstand, jedoch Sanierungsarbeiten und der Umgestaltung nach 1945 zum Opfer gefallen ist. Eine Chance, dieses zu erhalten, wurde leider vertan.

Der Fund ist also mehr als eine lokale Sensation und doch gleichzeitig von großer Wichtigkeit für Chemnitz.

Unsere Stadt hat sich in den letzten 150 Jahren so drastisch und tiefgründig verändert, wie kaum vordem in ihrer Geschichte. Für die Chemnitzerinnen und Chemnitzer war und ist es nicht einfach, sich mit der Stadt und ihrer Vergangenheit zu identifizieren. Jede Generation trägt mindestens ein eigenes Bild der Heimat in sich und oft dazu stellen diese, Bilder der Zerrissenheit dar. Unzählige Debatten und Berichte in der lokalen Presse, spätestens seit 1990, zeugen davon. Dort wo der Mensch Wurzeln schlagen soll und will, braucht es Beständigkeit, Urbanität, Kontinuität, Sicherheit und die Möglichkeit der Rückschau auf das Vorhandene, einen Rückblick auf das Schaffen derer die einst den Ort gestalteten. Mit den Gewissheiten und Unsicherheiten die sich aus der Rückschau ergeben, lässt sich leichter Neues schaffen, entwickeln, ohne das Vorhandene dabei zu ignorieren. Doch diese Ruhe ist unserer Heimat nicht vergönnt gewesen. Bis zum heutigen Tage führen verschiedene Ereignisse und Interessen zu ständiger, teils tiefgreifender Veränderung, ständiger Unruhe und permanenten Baugeschehen, deren Sinnhaftigkeit und Nutzen für die Menschen vor Ort, doch bei einigen Projekten zu hinterfragen sind.

Unsere Heimatstadt ist nicht sonderlich reich an historischer Bausubstanz die von langer Pressemitteilung zur bevorstehenden Debatte um die Chemnitzer Mikwe Geschichte zeugt. Zeugnisse die zur Rückschau einladen müssen gesucht werden. Die Mikwe könnte ein solches Zeugnis für die Stadt sein. Dazu gehört sie würdig ausgestaltet in das Licht der Öffentlichkeit.

Es gibt Beispiele in der Bundesrepublik, wie mit archäologischen Funden, mit jüdischen Ritualienbädern umgegangen werden kann. So bildeten sich z.B. bürgerschaftliche Initiativen und erreichten nicht nur den Erhalt und die Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit, sondern zudem auch eine entsprechend zugängliche Dokumentation der Geschichte jüdischen Lebens vor Ort. Die Chemnitzer-Mikwe bietet auch dafür, nicht nur mit Blick auf das Kulturhauptstadtjahr, eine neue Chance, Wurzeln unseres Daseins vor Ort und unserer Geschichte zu bewahren.

Enrico Hilbert

Vorsitzender

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