Vor 85 Jahren – das Münchener Diktat zerstört die CSR
Unter dem harmlosen Titel „Münchener Abkommen“ wurde am 29. September 1938 in einer Konferenz zwischen Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Frankreich und Italien und ihren Regierungsvertretern Adolf Hitler, Neville Chamberlain, Benito Mussolini und Edouard Daladier das Schicksal der CSR besiegelt. Eine Abordnung der Beneš-Regierung war bei den Verhandlungen nicht zugelassen. Ihr wurden die Ergebnisse nach Abschluss der Konferenz bekannt gegeben und ultimativ die Zustimmung eingefordert. Daher bezeichnet man das Abkommen zurecht als „Münchener Diktat“.
In diesem Diktat wurden die Auslieferung des Sudetengebietes an Hitler-Deutschland sowie die „Bedingungen und Modalitäten“ der „danach zu ergreifenden Maßnahmen“ festgelegt. Die CSR verlor 29.000 qkm Territorium und vier Millionen Einwohner. Die Regierung der CSR wurde aufgefordert, das Gebiet „ohne Zerstörung irgendwelcher bestehender Einrichtungen“ und ohne deren „Beschädigung“ zu räumen. So gelangten intakte militärische Anlagen, funktionierende Betriebe der Industrie, des Bergbaus und Verkehrsmittel in die Hand von Hitler-Deutschland.
Das Münchener Diktat war der erste Schritt der vom deutschen Faschismus geplanten Vernichtung des tschechoslowakischen Staates. Es folgte der Anschluss von tschechischem Gebiet durch Polen am 2. Oktober. Vier Wochen später, am 2. November, wurden durch den so genannten Ersten Wiener Schiedsspruch slowakische Gebiete von 12.000 qkm und mit einer Million Einwohnern, darunter die Angehörigen der ungarischen Minderheit, an Ungarn ausgeliefert. Der Endpunkt war die Unabhängigkeitserklärung der Slowakei, befohlen von Hitler und ausgeführt von dem katholischen Priester Josef Tiso am 14. März und die Besetzung der „Rest-Tschechei“ durch die faschistischen Truppen am 15. März 1939. Am 16. März wurde das Protektorat Böhmen und Mähren ausgerufen. Das Münchener Diktat war ein wichtiger Schritt bei der Vorbereitung des faschistischen Aggressionskrieges.
Politische Mitverantwortung für die Zerschlagung der Tschechoslowakei und damit die faschistische Kriegspolitik trugen die Regierungen von Großbritannien und Frankreich, die mit ihrer „Appeasement-Politik“ durch Zugeständnisse an Hitler glaubten, den Frieden in Europa sichern zu können. Bei aller Kritik an der schändlichen Politik Englands und Frankreichs darf jedoch nicht vergessen werden, dass Hitler und Mussolini die Verbrecher waren und nicht Chamberlain und Daladier. Die Beneš-Regierung konnte gegen die aggressive Politik Deutschlands keinen effektiven Widerstand leisten, sondern kapitulierte unter den Drohungen Hitlers und auf Druck Englands und Frankreichs. Die Sowjetunion bot, entsprechend dem Beistandsvertrag von 1935 bewaffnete Hilfe gegen eine faschistische Aggression an. Dieses Angebot wurde nicht angenommen.
Erst mit der militärischen Zerschlagung der faschistischen Barbarei gelang die Wiederherstellung der Staatlichkeit der Tschechoslowakei. Damit war zwar eine faktische Regelung der Grenzfrage vollzogen, eine völkerrechtliche Anerkennung durch die BRD folgte erst knapp drei Jahrzehnte später. Während Großbritannien und Frankreich bereits vor 1945 ihre Unterschrift unter dem Abkommen annullierten, verständigten sich die BRD und die CSSR erst im Prager Vertrag von 1973 auf die Formel, dass das Münchener Abkommen „im Hinblick auf ihre gegenseitigen Beziehungen nach Maßgabe dieses Vertrages als nichtig“ anzusehen sei. Damit erklärte die BRD das Abkommen erst mit dem Jahre 1973 für ungültig, was bedeutete, dass ältere Forderungen von Revanchisten-Verbänden gegenüber der CSSR nicht erledigt waren, Forderungen, die sogar noch einmal im Jahre 2002 erhoben wurden. Deshalb beharrten alle tschechoslowakischen Regierungen auf ihrer Position, dass dieses Abkommen von Beginn an unrechtmäßig war, da es sich um einen Vertrag zu Lasten eines Dritten gehandelt habe. Bis heute ist diese Frage nicht rechtseindeutig geklärt.
Die FIR verbindet die Erinnerung an das „Münchener Diktat“ vor 85 Jahren weiterhin mit der Forderung an die deutsche Bundesregierung, deutlich zu erklären, dass das Münchener Abkommen „von Anfang an“ unrechtmäßig war. Gleichzeitig fordert sie, dass dem Völkerrecht in zwischenstaatlichen Beziehungen wieder Geltung verschafft wird. Die Vereinten Nationen und ihre Grundlagen müssen wieder mehr respektiert werden. Die Durchsetzung imperialer Machtpolitik mit militärischen Mitteln, wie wir sie in den vergangenen Jahren in verschiedenen Teilen der Welt und aktuell in dem Stellvertreterkrieg auf dem Rücken der ukrainischen Bevölkerung erleben müssen, darf nicht zur internationalen Normalität werden. Unsere politische Alternative ist eine neue europäische Sicherheitsarchitektur (Helsinki 2.0), die die Sicherheitsinteressen aller europäischen Staaten angemessen berücksichtigt.