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Chemnitz -kurz vor Ende des Krieges

„Der Terror nahm in der Agonie des Systems wieder jene unverhüllten Züge an, die er in der Frühzeit des Regimes besessen hatte. Er wurde offen und demonstrativ praktiziert. Sein 
Wüten äußerte sich in den Erschießungen und den gefällten, barbarisch vollstreckten Todesurteilen gegen die Verschwörer des 20. Juli 1944. Am 2. Januar 1945 war befohlen worden, 
bei jedem Anzeichen einer umstürzlerischen Tätigkeit ‚sofort und brutal zuzuschlagen‘. Und weiter. ‚Die Betreffenden sind zu vernichten.‘ Terroristen in den Uniformen der Wehrmacht, 
der SS und von NS-Organisationen agierten in manchen Städten und Regionen bis in die letzten Stunden vor dem Eintreffen von Truppen der Alliierten und organisierten wahre Massaker. 
Sie entsprangen aus gezielten Aktionen ebenso wie aus blindwütiger, teuflischer Mörderei.“ 

So charakterisiert Kurt Pätzold (3. Mai 1930 – 18. August 2016) in seinem Buch „Gefolgschaft hinterm Hakenkreuz“, erschienen August 2017, verlag am park, die letzten 
Tage des deutschen faschistischen Regimes. Das „Tausendjährige Reich“ war in seiner Gesamtheit ein Verbrechen. Das Wüten der Faschisten während der letzten 
Wochen und Tage des Zweiten Weltkrieges dürfte zweifellos nicht der Höhepunkt einer Entwicklung gewesen sein; denn die Bilanz der faschistischen Herrschaft war längst 
nicht erstellt. Aber es war die logische Folge der Blutrauschpropaganda führender Nazis, es war die Folge zwölfjähriger Manipulation zum Wegschauen der Deutschen 
bei Gräueltaten, begangen von Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, die nicht einmal versuchten, diese vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. Alles, was vom „Führer“ 
ausging, waren Heldentaten. „Die obersten Führer riefen schließlich das Volk zum heldischen Untergang à la Nibelungen. Goebbels malte am 28. Februar 1945 in einer Rundfunkansprache 
das Bild, ‚dass auch von uns einst die Sage berichten kann, die Toten hätten nach den Tagen der heißen Schlacht in den dunklen drohenden Nächten in den Lüften weitergekämpft’“, 
zitiert Kurt Pätzold in seinem oben genannten Buch. Weiter kämpften allerdings die Fanatisierten ihren sinnlosen Kampf, der viele genauso sinnlose Opfer kostete. 
Chemnitz war von diesen Verbrechen nicht ausgenommen. Wie in vielen Regionen Deutschlands dominierte in der Stadt die Rüstungsindustrie. Viele der sich im Osten 
befindenden Werke waren nicht mehr in deutscher Hand. Hunderte Arbeiter und Angestellte, vorher noch als „kriegswichtig“ vom Wehrdienst freigestellt, wurden in den 
letzten Wochen noch zur Wehrmacht oder zum Volkssturm eingezogen. Diese Arbeitskräfte fehlten, um den Glaube an den „Endsieg“, der durch die Nazi-Propaganda mit 
Durchhalteparolen und Einschüchterungen suggeriert wurde, noch zu verwirklichen. Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge aus den Außenlagern des KZ 
Flössenbürg mussten in der Astra-Werke AG und Auto-Union AG Siegmar-Schönau (damals selbständige Gemeinde) Sklavenarbeit leisten. Im Dezember 1944 und im April 
1945 wurden diese evakuiert, weil Bombenabwürfe die Werke stark beschädigt hatten. 

Der Krieg kam also zu seinen Wurzeln zurück. Viele deutsche Städte versanken in Schutt und Asche. Vom 6. Februar bis zum 11. April 1945 rollten insgesamt zehn Luftangriffe 
gegen Chemnitz. Aus 2881 Flugzeugen fielen 7716 Tonnen Sprengmittel und Brandsätze. Zwischen 3600 und 4000 Menschen kamen ums Leben. Über 2100 davon 
in der Nacht zum 6. März. Das waren aber nicht die einzigen Toten. Rund 8300 Angehörige der Wehrmacht und der Waffen-SS starben während des Zweiten Weltkrieges bei 
aktiven Kampfhandlungen. Insgesamt waren es über 12000 Kriegstoten. Das sind ca. drei Prozent der Chemnitzer Vorkriegsbevölkerung. Zwar waren auch die Chemnitzer 
durch die Bombenangriffe demoralisiert, für eine Beendigung des Krieges setzten sie sich jedoch noch nicht aktiv ein. Dennoch verstärkte sich die Kriegsmüdigkeit auch bei 
den Chemnitzern. In internen Tagesberichten vom 16. und 17. April an die Wehrmachtsführung tauchten vermehrt Äußerungen des damaligen Kampfkommandanten, Generalmajor 
Oskar Döpping, über Auflehnungen der Einwohnerschaft auf. Plünderungen auf dem Güterbahnhof,das Hissen weißer Fahnen sowie die Beseitigung von Sperren gegen 
die Alliierten sind darin vermerkt. Selbstverständlich wurden die Chmenitzer auch dadurch zum „Widerstand“ in letzter Minute ermuntert, dass sich bereits US-Truppen 
am Stadtrand befanden, wo sie jedoch bis zum Kriegsende verharrten. Döpping verweigerte die kampflose Übergabe der Stadt. Zur Aufrechterhaltung dieser zweifelhaften 
„Ordnung „ setzte er Polizei und Wehrmacht ein . Amerikanischer Artilleriebeschuß war die Folge. Chemnitz war somit die letzte deutsche Großstadt, die von der Roten 
Armee befreit wurde. (Quelle: Forschungsgruppe N S Geschichte, Archiv der VVN-BdA Chemnitz) 

Wochen vorher dürften großen Teilen der Bevölkerung auch die Todesmärsche durch die Stadt nicht verborgen geblieben sein. Am 22. Februar 1945 durchquerten ca. 1000 
jüdische Frauen von Grünberg und Schlesiersee (heute Polen) über Niederwiesa kommend Chemnitz, um über Grüna nach Volary (heute Tschechien) zu gelangen. Unauffällig 
waren auch weitere in diesem Heft beschriebene Todesmärsche nicht. So der mit 700 Häftlingen, die zu Fuß von Bunzlau über Chemnitz, Leipzig-Halle ins KZ Mittelbau Dora 
getrieben wurden. 

In die Erzählungen über Verbrechen während der Endphase des Zweiten Weltkrieges und damit dem Ende der Herrschaft der deutschen Faschisten, reiht sich auch die der 
Ermordung von sieben Nazigegnern am 27. März durch die Gestapo „Am Hutholz“ ein. Rund 100 Antifaschisten waren vorwiegend im Gefängnis auf dem Chemnitzer Kaßberg 
eingesperrt. Am 5. März 1945 wurde dieses Gefängnis durch Bomben stark in Mitleidenschaft gezogen. Häftlinge nutzen die Gelegenheit, dieFlucht zu ergreifen. Chemnitzer 
Häftlinge erhielten von Justizangestellten die Erlaubnis, zu Löscharbeiten nach Hause gehen zu dürfen. Selbstverständlich mit der Verpflichtung, sich nach getaner Arbeit 
wieder im Gefängnis zu melden. Wer sich melde, so logen die Beamten, gehe straffrei aus. Der Kommunist Albert Hähnel glaubte diesem Versprechen und meldete sich tatsächlich zurück, was er mit dem Leben bezahlte. Nach der Reorganisation der Gestapodienststelle, die Hand in Hand mit der Chemnitzer Polizei arbeitete, wurden viele Geflüchtete abermals in Haft genommen. Der Gestapokommissar Wackerrow, verantwortlich für „Hochverratsdelikte“, verfügte, dass von den 14 wieder gefassten Untersuchungshäftlingen sieben „auszusondern“ 
seien.

Es waren Max Brand, Albert Hähnel,Albert Junghans, Walter Klippel, Kurt Krusche, Alfons Pech und Willy Reinl. Diese sieben Antifaschisten wurden in eine Schule in Neukirchen bei 
Chemnitz gebracht. Ein Sonderkommando stand dort schon bereit. Zum „Hutholz“ transportiert, mussten sie eine vorhande Grube vertiefen. Als sie mit dem Gesicht nach unten lagen, erschossen 
die Faschisten die Untersuchungshäftlinge mit Maschinenpistolen. Fangschüsse sollten garantieren, dass die Männer wirklich tot sind. Sie wurden eilig verscharrt. Die Angehörigen erhielten 
die Mitteilung: „Auf der Flucht erschossen“. 
Das Grab am „Hutholz“ war den Faschisten jedoch für die Vertuschung ihrer Taten nicht sicher genug. Zusammen mit anderen Leichnamen transportierten sie die Sieben unter Hil-Denkmal am Hutholz 
feihrer Handlanger, der DeutschenPost, zum Krematorium in Werdau, wo man sie am 7. und 8. April einäscherte. Als einziger an der Exekution Beteiligter wurde der Gestapo-Kommissar Erich Obst, da er in sowjetische Kriegsgefangenschaft geriet, zu 25 Jahren Haft verurteilt. Komplett absitzen musste auch er diese Strafe nicht. Alle anderen Mörder flohen in die sichere Westzone. 


Heute erinnert ein Denkmal nahe der Chemnitzer Wolgograder Allee, geschaffen vom Bildhauer Hanns Diettrich, an diese grausamen Morde. Nicht Jedem ist dieses Gedenken 
recht. Dass dieses Denkmal bereits mehrfach geschändet wurde zeigt, wie fruchtbar der Schoß des Faschismus heute noch ist. 

Um Chemnitz machten die faschistischen Verbrecher am Ende des Krieges also keinen Bogen. Auch hier glaubten, obwohl es weniger wurden, viele noch an einen „Führer“, 
der einem Messias gleich, die Situation in letzter Minute wenden könnte. Dieser „religiöse“ Gedanke war der Bevölkerung 12 Jahre lang eingeimpft worden. 

Kurt Pätzold dazu in „Gefolgschaft hinterm Hakenkreuz“:

„Ein Teil der zusammenschmelzenden Gefolgschaft klammerte sich an den Gedanken, dass es einen Ausweg gäbe, der nicht 
bedingungslose Kapitulation hieß. Hitler galt, wenn auch nicht mehr als Garant eines glorreichen Endes, so doch als Führer, der selbst aussichtslos erscheinende Situationen zu meistern 
verstünde. Als die Hoffnung auf kriegswendende Wunderwaffen schon vollständig verflogen war, lebte der Glaube an IHN in gewiss dahin schwindenden Resten noch fort. Hitler half 
selbst, die Vorstellung von seiner absoluten Ausnahmestellung zu erhalten. In seiner Rundfunkansprache am 30. Januar 1945 aus Anlass des 12. Jahrestages seiner ‚Machtergreifung‘ 
tischte auch er die Mär auf, der ‚Allmächtige‘ habe ihn am 20. Juli 1944 geschützt und werde ihn auch jetzt und weiter nicht verlassen.“ 

 

NS-Terror und Verfolgung in Sachsen

Dr. Hans Brenner und seine 50 Mitstreiter haben ein umfangreiches Werk über die Anfänge der Konzentrationslager in Sachsen vorgelegt.

Die Neuerscheinung der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung wirft ein neues Licht auf die Zeit der Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1945 in Sachsen. Zu den Themen zählen das System der Frühen Konzentrationslager von 1933 bis 1937 (mit mindestens 80 sächsischen Städten und Gemeinden), die politischen Prozesse gegen Gegner des NS-Systems, Opferschicksale aus den verschiedenen Verfolgten-Gruppen und die als Todesmärsche bezeichneten Evakuierungsmärsche aus Konzentrationslagern und deren Außenlagern ab Herbst/Winter 1944 über sächsisches Territorium. 

Mit einem umfangreichen Datenanhang und vier thematischen Karten liefert das Buch neuestes Forschungsmaterial für die sächsische Heimat- und Landesgeschichte.

Brenner, Hans / Heidrich, Wolfgang / Müller, KlausDieter / Wendler, Dietmar (Hrsg.) NS-Terror und Verfolgung in Sachsen.
Von den Frühen Konzentrationslagern bis zu den Todesmärschen Sächsische Landeszentrale für politische Bildung, Dresden 2018, 624 S