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Unvergessen - DietrichBonhoeffer
Dietrich Bonhoeffer wurde am 4. Februar 1906 in Breslau geboren und am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg auf ausdrücklichen Befahl Hitlers als einer der letzten NS-Gegner, die mit dem Attentat vom 20. Juli 1944 in Verbindung gebracht wurden, ermordet.
Der Vater war der Psychiater und Neurologe Karl Bonhoeffer und seine Mutter Paula Bonhoeffer, geborene von Hase, war Lehrerin. Bonhoeffer wuchs in einer großbürgerlichen Familie auf, die 1912 nach Berlin zog. Als Schüler las Bonhoeffer Reden und Briefe von Schleiermacher und Naumann über die Religion und befasste sich mit Kirchengeschichte. 1923 bestand er mit 17 Jahren das Abitur und begann im Sommersemester 1923 in Tübingen ein Theologiestudium. Mit 24 Jahren habilitiert, wurde Bonhoeffer nach Auslandsaufenthalten Privatdozent in Berlin sowie Jugendreferent. Ab April 1933 nahm er öffentlich Stellung gegen die faschistische Judenverfolgung und engagierte sich im Kampf gegen den Arierparagraphen im Berufsbeamtengesetz. Ab 1935 leitete er das Predigerseminar der Bekennenden Kirche, das, später illegal, bis 1940 bestand. Etwa 1938 schloss er sich dem Widerstand um Canaris an. 1940 erhielt er Redeverbot und 1941 Schreibverbot. Am 5. April 1943 wurde er verhaftet.
Als eigenständiger Theologe betonte Bonhoeffer die Übereinstimmung von Glauben und Handeln, die er persönlich vorlebte, insbesondere in des Faschismus. In seinen Gefängnisbriefen entwickelte er einflussreiche, wenn auch fragmentarische Gedanken für eine künftige Ausrichtung der Kirche nach außen in Solidarität mit den Bedürftigen und zu einer weltoffenen Auslegung der Bibel, kirchlichen Tradition und Gottesdienst.
Bonhoeffer lehrte an der Berliner Universität. Im Wintersemester 1931/1932 hielt er seine erste Vorlesung über die „Geschichte der systematischen Theologie des 20. Jahrhunderts“ und seine Vorlesungen waren gut besucht. Er überraschte seine vom aufstrebenden Faschismus beeinflussten Hörer auch seine Dozentenkollegen über singuläre Aussagen zum Zeitgeschehen. Der nächste Krieg sei entschlossen zu ächten, „aus dem Gehorsam gegen das uns heute treffende Gebot Gottes, daß Krieg nicht mehr sein soll, weil er den Blick auf die Offenbarung raubt“.
Am 15. November 1931 wurde Bonhoeffer in der St.-Matthäus-Kirche zum Pfarrer ordiniert. Später übernahm er die Aufgabe eines Internationalen Jugendsekretärs des ökumenischen Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen. Er bekleidete eine von drei neu geschaffenen Jugendsekretärs-Stellen des Weltbundes und war stellvertretender Vorsitzender der deutschen Gruppe, solange es ging – bis 1942.
Am 30. Oktober 1940 wurde Bonhoeffer der Abwehrstelle München zugeordnet, stand also im Dienst des faschistischen Staates – bei gleichzeitigem Redeverbot und ab März 1941 auch Schreib- und Veröffentlichungsverbot. Ab dem 17. November hielt er sich im Benediktiner-Kloster Ettal auf.
Am 5. April 1943 wurde Dietrich Bonhoeffer gleichzeitig mit seinem Schwager Hans von Dohnanyi wegen "Wehrkraftzersetzung" verhaftet. Im September 1943 wurde die Anklage fertiggestellt (die Anklageschrift wurde 1991 im Militärhistorischen Archiv Prag wieder aufgefunden). Das gegen Bonhoeffer beabsichtigte Strafverfahren vor dem Volksgerichtshof wurde aber nicht eröffnet. Ein Grund dafür war, dass höhere Beamte mit Verbindungen zu Widerstandskreisen, z. B. der damals noch nicht verhaftete Heeresrichter Karl Sack, das Verfahren aufhalten konnten.
Am 8. Oktober 1944 überstellte ihn die Gestapo in den Keller ihrer damaligen Zentrale. Dort verblieben Bonhoeffer, Canaris, Dohnanyi, Gehre, General Oster und der mittlerweile auch verhaftete Karl Sack als persönliche Gefangene Hitlers, ohne dass ihnen der Prozess gemacht wurde.
Am 17. Januar 1945 schrieb Bonhoeffer seinen letzten Brief an seine Eltern. Am 7. Februar wurde er in die Arrestzelle einer SS-Kaserne in der Nähe des KZ Buchenwald verlegt.
Am 5. April 1945 ordnete Hitler die Hinrichtung aller noch nicht exekutierten „Verschwörer“ des 20. Juli 1944 an und damit auch jene Dietrich Bonhoeffers.
In einer drei Tage später abgehaltenen angeblichen „Kriegsgerichtsverhandlung“ wurde Bonhoeffer in einem kurzen Prozess am 8. April 1945 zum Tode durch den Strang verurteilt.
Ankläger war ein hoher Funktionär im Reichssicherheitshauptamt, der Abteilungsleiter und SS-Standartenführer Walter Huppenkothen. Den Vorsitz dieses Scheinprozesses gegen Bonhoeffer und andere hatte Otto Thorbeck, Inhaber der Chefrichterstelle beim SS- und Polizeigericht in München. Verteidiger waren nicht anwesend, Zeugen wurden nicht vernommen. Die Verhandlung fand ohne Protokollführer statt; eine neue Akte wurde nicht angelegt.
Die Prozessakten gegen Bonhoeffer, die bei einem Bombenangriff auf Berlin verbrannt waren, lagen nicht vor. Da es keine Zeugen gab, konnten Thorbeck und Huppenkothen nach dem Ende des Nationalsozialismus behaupten, dass das Verfahren nach Recht und Gesetz abgelaufen sei.
Dietrich Bonhoeffer wurde in der Morgendämmerung des 9. April 1945 gehängt.
Am 15. September 1945 erstattete Adolf Grimme, der zur Roten Kapelle gehört hatte, Anzeige gegen den faschistischen Richter Roeder wegen dessen Beteiligung an den Verfahren gegen Dietrich Bonhoeffer, Hans von Dohnanyi und 49 Mitglieder der Roten Kapelle und wegen des Einsatzes erpresserischer Zwangsmittel. Das zunächst in Nürnberg und danach in Lüneburg geführte Verfahren wurde jedoch eingestellt.
1956 erklärte der Bundesgericht in einem Verfahren gegen Thorbeck und Huppenkothen, die Bonhoeffer, Dohnanyi u. a. 1945 zum Tode verurteilt hatten: „In einem Kampf um Sein oder Nichtsein sind bei allen Völkern von jeher strenge Gesetze zum Staatsschutz erlassen worden.“ Einem Richter könne „angesichts seiner Unterworfenheit unter die damaligen Gesetze“ kein Vorwurf daraus gemacht werden, wenn er „glaubte“, Widerstandskämpfer „zum Tode verurteilen zu müssen“. Damit wurden die Akteure des Widerstandes zu Verbrechern erklärt. Das Verfahren, das ein anderer Senat des BGH 1952 noch als „offenkundiges“ Scheinverfahren angesehen hatte, wurde als ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren angesehen. Das Urteil des SS-Standgerichts habe dem damaligen Recht entsprochen und sei daher auch weiterhin gültig.
Dies galt bis in die 1990er Jahre, so dass Dietrich Bonhoeffers Verwandten z. B. keine Entschädigungen als Verfolgten des Naziregimes zugesprochen wurden. Erst durch das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege wurden NS-Unrechtsurteile für nichtig erklärt und damit auch Bonhoeffer formell für unschuldig erklärt.
Bonhoeffers Theologie wurde durch die historischen Umstände vorangetrieben und verarbeitete Einflüsse der dialektischen Theologie. Zentrales Thema ist die Kirche als Leib Christi, als die Gemeinde der Nachfolger Christi und von Gott zur Solidarität mit der Welt beauftragte Gemeinschaft. Bonhoeffers Theologie ist nach innen gerichtet, trägt mystische Züge, verliert aber nie den Bezug zur Praxis. Dieses weite Spektrum lädt zu sehr unterschiedlichen Interpretationen seines Werkes ein und macht Bonhoeffer zum Kronzeugen durchaus unterschiedlicher theologischer Schulen und Denkrichtungen. Das führte z. B. bei Christen und Kirchen in der DDR zu einer allmählichen Öffnung zum Sozialismus, die schließlich unter Berufung auf die Theologie Bonhoeffers in dem Konzept einer „Kirche im Sozialismus" mündete.
Bonhoeffers Erkenntnis verbindet Lehre und Leben, Denken, Reden und Tun und ist geeignet, eine verbreitete Aufspaltung zwischen persönlicher Frömmigkeit, gemeindlichem Leben und universitärer Theologie zu überwinden. Theologie verlöre dann ihre scheinbare Objektivität der normativen Sätze – „erfahrungslosen Redens von fremden Erfahrungen“(Eugen Drevermann) – und gewänne eine lebendige Subjektivität sowie unmittelbaren Zugang zur Praxis.
Bereits 1945 gab die Ökumenische Kommission für die Pastoration der Kriegsgefangenen in Genf ein 60-seitiges Heft mit dem Titel "Das Zeugnis eines Boten, zum Gedächtnis von Dietrich Bonhoeffer" heraus.
Die Berlin-Brandenburgische Landeskirche verschwieg seinen Namen 1945 in der Kanzelabkündigung zum ersten Jahrestag des 20. Juli 1944. Zudem hieß es in der Empfehlung an die Pfarrer, Christen könnten den Anschlag „niemals gutheißen, in welcher Absicht er auch ausgeführt sein mag. Aber unter denen, die haben leiden müssen, waren Ungezählte, die einen solchen Anschlag niemals gewollt haben.“ Als echter christlicher Märtyrer galt nur Paul Schneider, der im KZ aus der Zelle heraus über den Appellplatz die SS als Mörder angeklagt und ein Bibelwort gerufen hatte, und der – wie man meinte – keinen politischen Widerstand im engeren Sinn des Wortes geübt habe.
Einige Bielefelder Pastoren protestierten 1948 gegen Straßenbenennungen nach Bonhoeffer, „weil wir die Namen unserer Amtsbrüder, die um ihres Glaubens willen getötet sind, nicht in eine Reihe mit politischen Märtyrern gestellt wissen wollen.“ Darauf antwortete der Vater Karl Bonhoeffer:„Mein Sohn hätte an sich gewiß nicht den Wunsch gehabt, daß Straßen nach ihm benannt werden. Andererseits bin ich überzeugt, daß es nicht nach seinem Sinn wäre, sich von den aus politischen Gründen ums Leben Gebrachten, mit denen er jahrelang im Gefängnis und KZ zusammen gelebt hat, zu distanzieren.“
1949 erschien ein Buch von Bernhard Heinrich Forck, das Lebensbilder von „Blutzeugen der Bekennenden Kirche“ präsentiert. Bonhoeffer wurde nicht mehr mit dem Makel des „politischen“ Widerstandes behaftet, sondern selbstverständlich und ohne Einschränkung mit 16 anderen evangelischen Christen als christlicher Märtyrer gewürdigt.
Dieses Buch war die Grundlage für die wahrscheinlich früheste kirchliche Gedenkstätte, für den evangelischen Widerstand und damit auch für Dietrich Bonhoeffer durch den Bonhoeffer-Schüler Schönherr in der Krypta des Brandenburger Domes. Er stellte vor einem mittelalterlichen Kreuz eine von Wilhelm Groß gefertigte Holzschatulle auf, in der auf Karton geschrieben die Lebensdaten und jeweils ein Bibelspruch der im Forck-Buch genannten Märtyrer zu lesen sind (erweitert um Herrmann Stöhr). Dieses Ensemble wird seit 1985 ergänzt durch ein Kunstwerk vom Karl-Marx-Städter Künstlers Morgner, der sich intensiv mit Bonhoeffer beschäftigt hat.
Dietrich Bonhoeffer sah die Kirche seiner Zeit als nicht zu einem rechtzeitigen Widerstand bereit und fähig. In seinen Gefängnisbriefen entwarf er die Vision einer zukünftigen Kirchengestalt ohne staatliche Privilegien an der Seite der Armen und Verfolgten. Während diese Vision in Deutschland und Mitteleuropa weithin unbeachtet blieb, ist sie in den Armuts- und Befreiungsbewegungen der Ökumene außerhalb Europas aufgegriffen und teilweise umgesetzt worden.
Bonhoeffers zeitweilige Nähe zu pazifistischen Haltungen wirkte stark in jeweils aktuellen Diskussionen wie die um die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik, den 2. Golfkrieg oder den Kosovokrieg.
Etliche Schulen, Gemeindehäuser und Kirchen wurden nach Bonhoeffer benannt. So auch das Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum in Neubrandenburg.
Im ehemaligen Wohnhaus von Karl Bonhoeffer, in welchem auch Dietrich Bonhoeffer während seiner Aufenthalte in Berlin lebte, richtete die Evangelische Landeskirche Berlin 1987 die Erinnerungs- und Begegnungsstätte ein.
Einer der seit 2017 in Betrieb genommenen Intercity-Express-Züge sollte nach Dietrich Bonhoeffer benannt werden. Allerdings wurde das Vorhaben, Züge nach historischen Persönlichkeiten zu benennen, im folgenden Jahr nach heftigen Diskussionen wieder fallengelassen (mit Ausnahme des bereits „getauften“ „Martin Luther“).
Seit April 2019 erinnert eine Tafel in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald an das Wirken Dietrich Bonhoeffers. In Anlehnung an seine Haft nahe Buchenwald wurde 2025 in Weimar-Nord eine Gedenkstele aus Kalkstein errichtet, an der Tafeln mit Zitaten, seinem Konterfei und den Lebensdaten zu sehen sind.
Am 1. Januar 1979 wurde im Karl-Marx-Städter Wohngebiet "Fritz-Heckert" eine Kirchgemeinde mit dem Namen des Theologen Dietrich Bonhoeffer, gegründet.
Dr. Hans Brenner und seine 50 Mitstreiter haben ein umfangreiches Werk über die Anfänge der Konzentrationslager in Sachsen vorgelegt.
Die Neuerscheinung der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung wirft ein neues Licht auf die Zeit der Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1945 in Sachsen. Zu den Themen zählen das System der Frühen Konzentrationslager von 1933 bis 1937 (mit mindestens 80 sächsischen Städten und Gemeinden), die politischen Prozesse gegen Gegner des NS-Systems, Opferschicksale aus den verschiedenen Verfolgten-Gruppen und die als Todesmärsche bezeichneten Evakuierungsmärsche aus Konzentrationslagern und deren Außenlagern ab Herbst/Winter 1944 über sächsisches Territorium.
Mit einem umfangreichen Datenanhang und vier thematischen Karten liefert das Buch neuestes Forschungsmaterial für die sächsische Heimat- und Landesgeschichte.
Brenner, Hans / Heidrich, Wolfgang / Müller, KlausDieter / Wendler, Dietmar (Hrsg.) NS-Terror und Verfolgung in Sachsen.
Von den Frühen Konzentrationslagern bis zu den Todesmärschen Sächsische Landeszentrale für politische Bildung, Dresden 2018, 624 S
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